Täter und Opfer – Offener Brief an den CDU MdB Martin Hohman


Lieber Volksvertreter Hohmann,
mein lieber Martin,

verzeih mir, dass ich mich auf diesem Wege zu so früher Stunde und dann auch in derart vertraulicher Form an Dich wende.
Aber die Brücke, die Du in so treffgenauer Weise zwischen uns geschlagen hast gibt mir den Mut dazu.

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Nein, da musst Du gar nicht zu bescheiden sein und deine schöne Rede wegen des unsinnigen Heuchelgeschreis der – ich darf Dich doch zitieren? –  „der allgegenwärtigen Mutzerstörung im nationalen Bewusstsein“ bereits zum Opfer gefallenen Kleingeister wieder herunterspielen.

Was kannst Du von denen schon erwarten, da haben dich ja gottlob Deine mit dir auf Deiner formidablen Homepage so wunderbar verlinkten Freunde vom Arbeitskreis Konservativer Christen (http://www.a-k-c.de/) in ihren Traktaten zur „Deutschen Vergangenheit“ schon richtig vorgewarnt.

Nein, enttäusche mich nicht und knick nicht ein aus Gründen der Parteiraison und gegen Deine eigene Überzeugung. Bleib Dir und Deiner jahrelang gelebten Linie treu. Sei ganz Du, so wie auf den schönen Vortragsabenden vor den deutschen Burschenschaften und Vertriebenenverbänden, die Du immer so geliebt hast und die Du so schön auf Deiner Website illustrierst.

Du bist ein guter Vertreter Deines Volkes und hast wirklich keinen Grund Dich zu entschuldigen, wie es Deine Chefs von der CDU jetzt halbherzig von Dir verlangen müssen. Schon gar keinen Grund hast Du verlegen zu sein wegen des Lobs, das Du hier von einem Juden bekommst.

Im Gegenteil, du hast allen Grund stolz zu sein, stolz wie ich es jetzt auf Dich bin, Du mein Vertreter. Ich mag jetzt gar nicht mehr daran denken, dass diese Vertretung bisher von beiden Seiten eher mehr widerwillig geschah, aber das ist ja nun endgültig Vergangenheit.

Du hast Nähe geschaffen. Nähe zwischen Dir und mir. Was die vielen, dem deutschen Volk – an Deinem entschiedenen Widerstand vorbei – ausgesaugten Milliarden erzwungener Entschädigungsleistungen nicht annähernd erreicht haben und auch niemals erreicht hätten, hast Du mit einer einzigen Rede erledigt.

Wir sind jetzt Brüder. Brüder im Geiste und Brüder in der Tat, so als Angehöriger eines Tätervolkes zum Angehörigen eines anderen Tätervolkes.

Wie gut das tut und wie das befreit – Du und ich – Komplizen für die Ewigkeit. Nie hätte ich es zu glauben gewagt.

Und da faseln die „national Mutzerstörten“ (ich liebe Deine Wortwahl) auf Deiner und die ewigen Nörgler auf meiner Seite von Belastung und geschichtlicher Hypothek, von besonderem Verhältnis und Befangenheit  zwischen Deutschen und Juden.

Welche Belastung, welche Befangenheit – die deutsche Geradlinigkeit und die klare Sprache von Menschen wie Du beweisen: das ist alles längst überwunden, da gibt es keine Schuld und schon gar keine Befangenheit.

Mut hast Du mir gemacht durch Deine großartige ‚ WirTäterUnterUns-Rede ‚, die Du – ganz Vertreter Deines Volkes –  Deinem politischen Gewicht entsprechend auf so bedeutender Bühne wie Neuhof, oder war es vielleicht sogar Neudorf,  dem – seinen Atem anhaltenden Weltpublikum  – geschenkt hast.

Dabei hast Du – mit dem Dir eigenen politischen Instinkt – Deine Verantwortung um die gebeutelte Wirtschaft unseres Landes im allgemeinen und die angespannte Absatzlage der Autoindustrie im besonderen nicht einen Moment aus den Augen verloren. Mit der Würdigung der großen Verdienste Henry Fords um die längst überfällige Gleichstellung der Juden mit den ihm befreundeten deutschen Nazitätern, hast Du neben einer Harmonisierung des deutsch-jüdischen Verhältnisses einen bedeutsamen Beitrag zur Verbesserung der Absatzlage der gleichnamigen Autofirma und zur Sicherung deutscher Arbeitsplätze am Standort Deutschland geleistet.

Beschämt hast Du mich aber vor allem mit den wundervollen versöhnlichen Worten über das gegenseitige Leid und Unrecht, die Du im Nachgang zur Vervollkommnung und Abrundung Deines beeindruckenden Ford-Marketing-Auftritts für die stets unverbesserlichen Gegner unserer Verbrüderung gefunden hast.

Da Du mit Deinem Beitrag, mir und meinen jüdischen Mittätern bereits ein über jede Dir zuzumutende Belastbarkeit hinausgehendes Maß an Gerechtigkeit und Verständnis entgegengebracht hast, kann ich als Dein neuer Freund und Angehöriger des von Dir neu entdeckten Tätervolkes nicht derart beschämt zurückstehen und möchte daher die sich mir hier bietende Gelegenheit nutzen, um folgerichtig Abbitte zu tun:

* 1. Für alle Deutschen, die jemals als Bürger eines jüdischen Staates von einem Tag auf den anderen ihrer Bürgerrechte beraubt worden sind und mit Berufsverboten für ihre Ausbildungsberufe belegt  wurden.

* 2. Für alle Deutschen, die jemals von Juden sichtbar zum Zwecke der Diffamierung und Entrechtung markiert worden sind und denen unter drakonischen Strafen verwehrt wurde Theater, Kinos, Kultur- und Sportstätten zu besuchen und Mitglieder in Vereinen und Berufsverbänden zu sein.

* 3. Für alle Deutschen, die jemals von Juden zwangsenteignet worden sind und gezwungen wurden machtlos zuzusehen, wie ihre Kirchen und Gemeindezentren und Geschäfte und Wohnungen von Juden aufgebrochen, verwüstet und angezündet worden sind.

* 4. Für alle Deutschen, deren Familien jemals von Juden auseinander gerissen worden sind, deren Väter, Mütter, Kinder  und Geschwister willkürlich auf der Straße, in ihren Arbeitsstellen und in ihren Wohnungen zu beliebiger Tages und Nachtzeit  von jüdischen Polizisten oder SS-Leuten festgenommen, verschleppt und deportiert worden sind.

* 5. Für alle Deutschen Männer, Frauen Kinder und Säuglinge, die ´von Juden in besonderen Stadtbezirken unter nahezu völligem Abschneiden von jeder Versorgung mit Nahrung und ärztlichen Notwendigkeiten eingepfercht und ghettoisiert worden sind.

* 6. Für alle Deutschen, die von Juden in ganz Europa systematisch gejagt, verfolgt und in so genannten Konzentrationslagern interniert worden sind.

* 7. Für alle deutschen Frauen, Männer, Kinder und Säuglinge, die jemals von Juden in zahlreichen KZ’s hinter Stacheldraht und unter permanenter Bewachung in menschenunwürdigen Baracken gehalten, der täglichen Willkür jüdischer Schergen ausgeliefert, gequält, zu Zwangsarbeit gezwungen, sexuell und zu medizinischen Versuchen missbraucht, gefoltert, verstümmelt, erschlagen, erschossen und letztendlich systematisch massenvergast worden sind.

Da mein Erinnerungsvermögen, wie das aller Täter etwas zu wünschen übrig lässt, kann ich Dir nicht wirklich zusichern, dass ich damit schon alle Greueltaten aufgezählt habe, was aber meine Abbitte nicht schmälern soll.

Nun mein Bruder von der parallelen Tätergruppe, etwas neugierig macht es mich schon, ob Du, wenn all dies unsererseits wirklich so geschehen wäre, wie es umgekehrt von Deinem Tätervolk an uns vollzogen worden ist, immer noch so unbefangen im trauten Kreis Deiner Wähler von der Gleichgewichtung des Leidens und der gegenseitigen Schuldzuweisung schwadronieren würdest.

Mir bleibt nur, Dir im Interesse aller Menschen zu wünschen, dass Dir die Überprüfung dieser Frage für immer erspart bleibe.

Aufrichtig

Dein Bruder vom anderen Tätervolk
Dr. Rafael Korenzecher

Netzeitung September 2003

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